manifest homo mutus

Homo mutus stupidus, Performance, 2022
Wie intelligent sind künstliche Intelligenzen und sollten wir uns fürchten oder sie verehren?

Mehrere Personen wandern in einer Prozession, einer Sekte gleich, hinter der Anführerin zur Mitte des Raumes. Sie positionieren sich vor der Anführerin und halten sich mit der linken Hand die Augen zu, während sie mit der rechten Hand ihr Smartphone, welches scheinbar mit einem dritten Auge gleichgesetzt wird, dem Himmel entgegenstrecken. Nun trägt die Anführerin mit viel Elan und fester Stimme das Manifest vor.

So wurde die Performance zum Manifest homo mutus stupidus uraufgeführt, wobei ich mich als Urheberin des Manifestes natürlich in der Rolle der Sektenführerin wiederfinde. Das Postulat für die Weiterentwicklung zum Homo mutus stupidus ist eine satirische Aufarbeitung der aktuellen Debatten rund um Künstliche Intelligenz.

Zurzeit beschäftigen sich viele voller Enthusiasmus mit datenbasierten Systemen, folgend KI`s genannt. Diese können aus Texteingaben Bilder generieren (wie Dalle oder midjourney), selbst Programmiercodes oder auch ganze Essays schreiben (Chat GPT). Gerade Chat GPT macht momentan Furore, weil sie auf Fragen scheinbar wahrlich intelligente Antworten gibt und sich sprachlich wie ein Mensch ausdrückt. Dabei lassen sich einige User täuschen und schreiben solchen Programmen ein eigenes Bewusstsein zu. Diese Annahme wird nicht nur durch diverse Sciencefiction Filme befeuert, sondern auch durch den Umstand, dass solche Programme darauf programmiert sind, möglichst menschenähnlich zu agieren. So kam es jüngst auch zu einem Präzedenzfall, bei dem ein Entwickler die Verantwortung für das rassistische Verhalten seiner KI, auf das eigenständige Bewusstsein der KI abwälzen wollte. Da wir aber laut Experten noch sehr, sehr, „seeehr“ weit von Künstlichen Intelligenzen mit eigenem Bewusstsein entfernt sind, sollten wir uns vielleicht mit den tatsächlichen Problemen, welche datenbasierten Systemen inne liegen, beschäftigen.
Das Sammeln von (big data) allumfassenden persönlichen Daten und deren Verarbeitung birgt ein ungeahntes Potenzial zur Überwachung. Was, wenn das Bezahlen mit der Kreditkarte bei MacDonalds oder das Ausbleiben der Joggingrunde mit der Applewatch plötzlich höhere Krankenkassenprämien zur Folge hat? Glauben Sie unsere Daten sind in guten Händen?
Mehrere ehemalige Google Mitarbeiter*innen werfen dem Konzern die bewusste Missachtung von Gesetzen und Menschenrechten zugunsten von Mehreinnahmen vor, so soll auch einer der Google Gründer gesagt haben: „Wir wissen besser was gut ist für die Menschen als sie Selbst.“

„In den Augen von Amnesty International stellt die allgegenwärtige Überwachung von Milliarden Menschen durch Facebook und Google eine Bedrohung für die Menschenrechte dar. Die weltweit tätige NGO fordert einen radikalen Umbau der Geschäftsmodelle der Tech-Giganten.“(1)

Auch der Traum von der übermenschlich neutralen Entität platzt bei genauerer Betrachtung der Entwicklung von KI`s
«Algorithmen sind Meinungen, in Codes eingebettet. Sie sind nicht objektiv.» (2)

Da ich mich selbst aber auch als große Technikenthusiastin betrachte und versuche die Möglichkeiten, welche KI`s bieten, in meine künstlerischen Prozesse zu integrieren, verarbeitete ich meinen kritischen Blick auf die Umstände in diesem pointierten Manifest und der dazugehörigen Performance.

Dabei berufe ich mich unter anderem auf die Erkenntnisse aus den Vorlesungen „Digitale Transformation und künstliche Intelligenz aus ethischer Perspektive“ von Peter Kirchschläger an der Fakultät für Theologie der Uni Luzern.(3) Aber auch die Auseinandersetzung mit Roboterethik, der Philosophin Janina Loh inspirieren mich zu eingehenden Recherchen. Loh behandelt die moralischen Herausforderungen, welche beim Bau von Robotern und im Umgang mit ihnen eine Rolle spielen.(4)

 

1     https://www.watson.ch/digital/facebook/792733028-facebook-und-google-gefaehrden-menschenrechte-sagt-amnesty-international . 21.11.19 aufgerufen am 13.2.2023
2     Y. Demuth, Cathy O’Neil: Die unheimliche Macht der Algorithmen, in: Beobachter 9, 2018, 16.
3    Peter G. Kirchschläger, Digital Transformation and Ethics: Ethical Considerations on the Robotization and Automation of Society and the Economy and the Use of Artificial Intelligence, Edition sigma, Nomos Verlagsgesellschaft, 2021
4    Janina Loh, Roboterethik: Eine Einführung, Suhrkamp Verlag, 2019